Überschuldet oder zahlungsunfähig? Für Betroffene stellen sich zahlreiche Herausforderungen, die es zu meistern gilt, unabhängig davon, ob sie als Privatperson oder Geschäftsmann bzw. -frau betroffen sind.
Viele Fragen werden aufgeworfen. Plötzlich müssen sie sich mit verschiedenen Begriffen aus dem Insolvenzrecht auseinandersetzen.
Dieser Ratgeber gibt einen Überblick über das Insolvenzrecht, erklärt die wichtigsten Begriffe und erläutert, wie die Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzrecht gehandhabt wird.
Genauere Informationen zu dieser Gesetzesänderung, mit der EU-Recht in deutsches Recht umgesetzt wurde, finden Sie in unserem Ratgeber über die Restschuldbefreiung.
Insolvenzrecht kurz zusammengefasst
Insolvenz bezeichnet die akute oder drohende Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners oder seine Überschuldung.
Das Insolvenzrecht ist Teil des Zivilrechts. Es regelt sowohl die materiellrechtlichen Aspekte einer Insolvenz als auch die verschiedenen Insolvenzverfahren. Die wichtigste Rechtsgrundlage bildet hierbei die Insolvenzordnung (InsO).
Den Ablauf einer Regelinsolvenz für Unternehmen und Selbstständige können Sie hier nachlesen. In diesem Abschnitt erfahren Sie, wie eine Privatinsolvenz für Verbraucher/Privatpersonen funktioniert.
Inhalt
Was bedeutet Insolvenz und worum geht es beim Insolvenzrecht?
Zahlungsunfähige Privatpersonen und Unternehmen gelten als insolvent. Ihre Ausgaben sind höher als ihre Einnahmen, sodass eine Überschuldung entweder droht oder aber schon besteht. Insolvenz, umgangssprachlich auch Konkurs genannt, liegt demnach vor, wenn ein Schuldner den eigenen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann (akute oder drohende Zahlungsunfähigkeit).
Das Insolvenzrecht befasst sich mit eben dieser Zahlungsunfähigkeit. Dieses Rechtsgebiet gehört zum Zivilrecht und beinhaltet sowohl materiell-rechtliche Regelungen als auch Vorschriften zu den Insolvenzverfahren.
Es sorgt unter anderem dafür, dass die offenen Forderungen der Gläubiger zumindest teilweise ausgeglichen werden.
Insolvenzrecht: Geregelt in der Insolvenzordnung
Besondere Bedeutung bei einer Insolvenz kommt der Insolvenzordnung zu. Sie sorgt für einen Interessenausgleich zwischen dem Schuldner und dessen Gläubigern. Einerseits regelt die InsO, wie die Gläubiger an ihr Geld kommen. Um deren Geldforderungen weitestgehend zu befriedigen, wird im Insolvenzverfahren das pfändbare Vermögen des Schuldners verwertet und nach Abzug der Verfahrenskosten an die Gläubiger verteilt.
Wie hoch der pfändbare Betrag ist, richtet nach dem jeweiligen monatlichen Nettolohn und bestehenden Unterhaltspflichten. Den pfändbaren Betrag können Sie der gesetzlich festgelegten Pfändungstabelle entnehmen, die alle zwei Jahre angepasst wird.
Dieser hat außerdem die Möglichkeit, sich von seinen Verbindlichkeiten befreien zu lassen: Nach der sogenannten Wohlverhaltensphase soll er wieder die Chance auf ein schuldenfreies Leben haben, indem er auf Antrag von seinen alten Schulden befreit wird (Restschuldbefreiung).
Auch Unternehmen sollen die Gelegenheit für einen Neubeginn erhalten. Hierfür sieht die Insolvenzordnung verschiedene Möglichkeiten einer Unternehmenssanierung vor.
Das Insolvenzverfahren
Wichtigstes Instrument im Insolvenzrecht ist das Insolvenzverfahren. Hierbei wird zwischen Privatinsolvenz und Regelinsolvenz unterschieden, je nachdem ob ein Verbraucher, ein Selbstständiger oder ein Unternehmen insolvent ist. Vorgesehen sind daher das Regelinsolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren.
Welches Verfahren jeweils zur Anwendung kommt, hängt davon ab, wer Insolvenz anmeldet. Beide Verfahren verfolgen jedoch ähnliche Ziele:
- die Befriedigung der Gläubiger
- Pfändungsschutz zugunsten des Schuldners
- die Restschuldbefreiung des Schuldners von seinen Altschulden nach der Insolvenz
- Die Regelinsolvenz bezweckt außerdem die Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit der insolventen Person bzw. die Sanierung des betroffenen Unternehmens.
Das Regelinsolvenzverfahren
Nach dem Insolvenzrecht ist die Regelinsolvenz für folgende Schuldner vorgesehen:
- juristische Personen wie z. B. eine GmbH
- natürliche Personen, die selbstständig sind oder waren und 20 oder mehr Gläubiger haben
Eine natürliche Person ist jeder Mensch als Träger von Rechten und Pflichten. Juristische Personen sind Personenvereinigungen wie z. B. die GmbH oder eine Aktiengesellschaft und als solche auch Träger von Rechten und Pflichten.
Weil dieses Verfahren gemäß dem Insolvenzrecht vor allem Firmen und Unternehmen trifft, wird es umgangssprachlich auch Firmeninsolvenz oder Unternehmensinsolvenz genannt.
Dieses Insolvenzverfahren dauert gewöhnlich drei bis sechs Jahre, je nachdem wie sich die finanzielle Situation des Betroffenen gestaltet:
- Zahlt der Schuldner 35 % seiner Schulden und die gesamten Verfahrenskosten, so kann das Verfahren nach drei Jahren abgeschlossen werden.
- Werden die Verfahrenskosten bezahlt, endet das Verfahren gewöhnlich nach fünf Jahren.
- Die Regelinsolvenz wird spätestens nach sechs Jahren abgeschlossen, unabhängig davon, wie viel der Schulden beglichen wurden und ob die Verfahrenskosten gezahlt wurden.
Insolvenzantrag: Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Liegt ein solcher Grund vor, so kann entweder der betroffene Schuldner oder einer seiner Gläubiger einen Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht stellen. Dieser Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann unter folgenden Bedingungen wieder zurückgenommen werden:
- durch zwischenzeitliche kurzfristige Änderung der Situation (Wegfall des Insolvenzgrunds) und
- nur vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder
- wenn das Insolvenzgericht den Antrag zurückweist
Das Gericht akzeptiert nur einen korrekt und vollständig ausgefüllten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hier kann ein Anwalt für Insolvenzrecht weiterhelfen.
Eröffnungsverfahren und Eröffnungsbeschluss
Zuerst prüft das Gericht, ob der Insolvenzgrund tatsächlich vorliegt. Außerdem kann es unter Umständen besondere Maßnahmen anordnen, z. B.
- die Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
- die Bestellung von einem vorläufigen Insolvenzverwalter
- die Auskunftspflicht des Schuldners, insbesondere zu seinen Vermögensverhältnissen
Das Insolvenzgericht eröffnet das Verfahren per Beschluss, wenn tatsächlich ein Insolvenzgrund vorliegt und wenn die Insolvenzmasse, also das Vermögen des Schuldners ausreicht, um die Verfahrenskosten abzudecken.
Mit diesem Beschluss bestimmt das Gericht auch einen Insolvenzverwalter, auf den sämtliche Verwaltungs- und Vergütungsrechte mit sofortiger Wirkung übergehen. Ab sofort darf der Schuldner nur noch an den Treuhänder zahlen, nicht mehr jedoch an die Gläubiger selbst.
Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter
Der Schuldner ist dem Insolvenzverwalter gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Er muss ihm sämtliche notwendigen Dokumente zur Verfügung stellen und ihm Informationen zu seinen Vermögensverhältnissen und Gläubigern zur Verfügung stellen.
Der Insolvenzverwalter fordert alle Gläubiger auf, die ihm bekannt sind, ihre Forderungen gegen den insolventen Schuldner zur Forderungstabelle anzumelden.
Berichts-, Prüf- und Schlusstermin im Insolvenzrecht
Das Insolvenzgericht legt im Eröffnungsbeschluss einen Berichtstermin fest. In diesem Termin erstattet der Insolvenzverwalter Bericht über die wirtschaftliche Situation des Schuldners. Auf dieser Grundlage entscheiden die Gläubiger über den weiteren Fortgang des Verfahrens und die Verwertung der Insolvenzmasse.
An diesen Termin schließt sich der Prüftermin an. Bei diesem Termin haben die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, den angemeldeten Forderungen zu widersprechen.
Im Schlusstermin wird das Vermögen des Schuldners verteilt, wobei die Kosten des Verfahrens und des Treuhänders erste Priorität haben. Was nach Ausgleich dieser Kosten an pfändbarem Vermögen übrig bleibt, wird unter den Gläubigern aufgeteilt. Zunächst erhalten die Massegläubiger ihren Anteil. Wenn anschließend noch verwertbares Vermögen übrig bleibt, wird entsprechend der Quote an die Insolvenzgläubiger verteilt.
Nach Verteilung der Insolvenzmasse entsprechend dem Vermögensverzeichnis hebt das Gericht das Insolvenzverfahren durch einen entsprechenden Beschluss auf. Anschließend sieht das Insolvenzrecht die Wohlverhaltensphase und in der Regel auch eine Restschuldbefreiung vor.
Das Verbraucherinsolvenzverfahren: Erst nach erfolglosem außergerichtlichen Einigungsversuch
Für natürliche Personen, die nicht selbstständig waren oder die im Falle einer vergangenen Selbstständigkeit weniger als 20 Gläubiger haben, sieht das Insolvenzrecht die Verbraucherinsolvenz vor.
Wer dieses Verfahren ordnungsgemäß durchläuft, kann sich so von seinen alten Schulden befreien. Hierfür muss er im Wesentlichen vier Verfahrensabschnitte durchlaufen:
Gleich zu Beginn des Privatinsolvenzverfahrens sieht das Insolvenzrecht eine Besonderheit vor: Der Schuldner kann nur dann den Eröffnungsantrag stellen, wenn er zuvor versucht hat, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Nur wenn dieser Einigungsversuch scheitert und dies von einer anerkannten Stelle oder Person bescheinigt wird, darf er Insolvenz beantragen.
Für eine solche Einigung wird gewöhnlich ein Schuldenbereinigungsplan erstellt, der z. B. eine Ratenzahlung des Schuldners vorsieht. Sind die Gläubiger hiermit einverstanden, so war der Versuch erfolgreich.
Das eigentliche Privatinsolvenzverfahren
Nur wenn die außergerichtliche Einigung scheitert, kann der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung der Verbraucherinsolvenz stellen. So verlangt es das Insolvenzrecht. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Gläubiger seinen Vorschlag zur Schuldenbereinigung nicht annehmen, aber auch wenn der Schuldner die entsprechende Einigung nicht einhalten kann.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens versucht das Gericht erneut, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Sollte dieser Versuch einer gerichtlichen Einigung scheitern, beginnt das einfache Insolvenzverfahren.
Ähnlich wie bei der Regelinsolvenz wird ein Treuhänder eingesetzt, der ab sofort das gesamte Vermögen des Schuldners verwaltet.
Dieser muss laut Insolvenzrecht ab sofort sein Einkommen an den Treuhänder abgeben. An die Gläubiger darf der Schuldner nicht mehr zahlen.
Deren Geldforderungen werden nur über die Verwertung des pfändbaren Schuldnervermögens ausgeglichen.
Wohlverhaltensphase
Der Begriff der Wohlverhaltensphase bezeichnet im Insolvenzrecht den Zeitraum zwischen dem Verfahrensabschluss und der endgültigen Restschuldbefreiung.
Während dieser Zeit muss die insolvente Person den Anteil ihres Nettoeinkommens abführen, der oberhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. Dieses Geld wird einmal jährlich an die Gläubiger verteilt, um so möglichst viele Schulden abzubauen.
Des Weiteren treffen den Schuldner noch weitere Pflichten, die er unbedingt erfüllen sollte, wenn er seine Restschuldbefreiung nicht gefährden möchte, z. B.:
- Er muss einer Beschäftigung nachgehen, die nach seiner Qualifikation angemessen ist, soweit dies sein Gesundheitszustand zulässt. Sollte er keine Arbeit haben, muss sich der Betroffene um einen entsprechenden Arbeitsplatz bemühen und jedes zumutbare Stellenangebot annehmen.
- Das Gericht und der Treuhänder sind innerhalb von zwei Wochen über einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Wohnsitzes zu informieren.
- Der Schuldner darf auf keinen Fall an die Gläubiger zahlen, sondern nur an den Treuhänder.
Insolvenzrecht und wichtige Begriffe zur Insolvenz
Im Insolvenzrecht wimmelt es nur so von juristischen Fachbegriffen. Einige Begriffe, die in diesem Ratgeber bisher noch keine Erwähnung fanden, werden hier kurz vorgestellt und erklärt.
Gläubiger, aber auch andere Personen haben die Möglichkeit, sich über Insolvenzbekanntmachungen z. B. darüber zu informieren, ob ihr Schuldner Insolvenz angemeldet hat. Hierfür haben die Bundesländer ein Online-Portal eingerichtet, in welchem Sie Veröffentlichungen und Bekanntmachungen von Insolvenzgerichten recherchieren können.
Für den Fall, dass ein Arbeitgeber Insolvenz anmelden muss, sieht das Insolvenzrecht ein Insolvenzgeld für dessen Arbeitnehmer vor. Dieses soll das ausgefallene Arbeitsentgelt der Beschäftigten ausgleichen. Dieses Geld muss jedoch beantragt werden. Den entsprechenden Antrag erhalten Betroffene bei der Agentur für Arbeit. Dieses zahlt auch das Insolvenzgeld aus.
Die Kontopfändung ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme, die dazu führt, dass der Betroffene nicht mehr auf sein Konto zugreifen kann. Sein Geld wird dann an die Gläubiger überwiesen. Der Schuldner selbst kann im Falle einer solchen Pfändung weder Geld abheben noch Überweisungen vornehmen. Auch Lastschriften und Daueraufträge werden dann nicht mehr bedient.
Um wenigstens den Pfändungsfreibetrag vor der Kontopfändung zu schützen, sollten überschuldete Personen umgehend ein Pfändungsschutzkonto einrichten bzw. ihr Konto in ein solches P-Konto umwandeln lassen.
Die Kontopfändung fällt nicht unter das Insolvenzrecht, sondern gehört zum Zwangsvollstreckungsrecht.
Eine andere Maßnahme der Zwangsvollstreckung ist die Lohnpfändung. Mit dieser Methode setzt der Gläubiger seine Geldforderung durch, indem er sich mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss direkt an den Arbeitgeber wendet.
Dieser muss dann den pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens direkt an den Gläubiger abführen.
Während der Insolvenz verbietet das Insolvenzrecht eine Lohnpfändung und andere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
Schuldnerberatung: Professionelle Hilfe bei Überschuldung
Menschen, die mit ihrer Zahlungsunfähigkeit und Verschuldung überfordert sind, können sich durch eine Schuldnerberatung psychosozial, finanziell und rechtlich unterstützen lassen. Diese Art der Hilfe wird zum Beispiel durch entsprechende staatliche oder kommunale Beratungsstellen angeboten. Auch verschiedene wohltätige Organisationen bieten eine Schuldnerberatung an.
Weil diese Beratungsleistungen oftmals kostenlos sind und deswegen stark nachgefragt werden, müssen Schuldner hier unter Umständen mit langen Wartezeiten rechnen. Sie können sich stattdessen auch an spezialisierte Rechtsanwälte wenden, müssen für diese Beratung jedoch zahlen, sofern sie keine Beratungshilfe beantragt und bewilligt bekommen haben.
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