Nun ist der Brexit amtlich, wodurch die Anerkennung der britischen Restschuldbefreiung in die Mitgliedsstaaten der EU möglicherweise entfallen wird.
Welche Alternative bleibt Verbrauchern nun, wenn sie aufgrund der langen Dauer kein deutsches Insolvenzverfahren durchlaufen wollen? Möglicherweise ist die Insolvenz in Lettland eine gangbare Lösung.
Die Privatinsolvenz in Lettland gilt in der Europäischen Union als besonders schuldnerfreundlich, weil das Verfahren darauf abzielt, dass der Schuldner so schnell wie möglich seine Schulden abbaut und wieder ohne Einschränkungen am Wirtschaftsleben teilnehmen kann.
Insolvenz in Lettland kurz zusammengefasst
Ja, jeder EU-Staatsbürger kann in Lettland die Privatinsolvenz anmelden – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Ganz so einfach ist es nicht, denn Sie müssen zuerst Ihren Lebensmittelpunkt nach Lettland verlegen. Das heißt, es wird von Ihnen unter anderem erwartet, dass Sie dort mindestens sechs Monate wohnen, arbeiten und Steuern zahlen. Erst danach können Sie die Insolvenz in Lettland beantragen.
Der Ablauf der EU-Insolvenz in Lettland gliedert sich in das eigentliche Insolvenzverfahren und die Wohlverhaltensphase mit anschließender Restschuldbefreiung. Mehr zum Ablauf lesen Sie hier.
Inhalte
Voraussetzungen einer Insolvenz in Lettland
Zunächst einmal stellt sich die Frage, wer überhaupt in Lettland eine Insolvenz beantragen kann. Antragsberechtigt ist …
- jeder EU-Staatsbürger,
- sofern er seinen Lebensmittelpunkt (Center of Main Interest – COMI) in Lettland hat
- und dort mindestens sechs Monate als Steuerzahler gemeldet ist, bevor er einen Insolvenzantrag stellt.
Doch das allein reicht noch nicht aus, um Insolvenz in Lettland anmelden zu dürfen. Der Antragsteller muss außerdem zahlungsunfähig sein und …
- Schulden in Höhe von insgesamt mindestens 7.000 Euro haben oder
- Verbindlichkeiten über 14.000 Euro, die innerhalb eines Jahres fällig werden, ohne dass der Schuldner aufgrund seiner finanziellen Situation in der Lage ist, diese zu erfüllen.
Bevor ein Schuldner die Insolvenz in Lettland beantragen kann, bedarf es einiger Vorbereitung. Die betroffene Person muss ihren Lebensmittelpunkt in dieses Land verlegen und dort mindestens ein halbes Jahr lang Steuern zahlen.
Center of Main Intererest bedeutet im Wesentlichen, dass der Schuldner seinen Wohnsitz und seinen Arbeitsplatz in Lettland haben muss. Hinzukommen weitere Kriterien, die üblicherweise zu einem Lebensmittelpunkt dazugehören – z. B. ein Bankkonto. Für die Privatinsolvenz in Lettland muss der Schuldner seinen COMI detailliert gegenüber dem Gericht nachweisen. Neben einer lettischen Steuernummer ist hierfür erforderlich, dass der Schuldner mindestens sechs Monate in Lettland Steuern zahlt.
Beantragung der Insolvenz in Lettland
Nach dem besagten halben Jahr kann der Schuldner direkt beim zuständigen Amtsgericht in seiner lettischen Wohnsitzgemeinde die Insolvenz in Lettland beantragen. Dieses Antragsrecht steht nur ihm zu. Anders als in Deutschland können Gläubiger keinen Insolvenzantrag stellen.
Der Antrag auf Eröffnung der Insolvenz muss folgende Informationen enthalten:
- Vor- und Nachname
- Meldeadresse und Personal-Code laut ID-Ausweis
- Beschreibung der Umstände, warum der Antragsteller zahlungsunfähig geworden ist oder zu werden droht
- Nachweis über die Höhe der offenen Schulden
- Vermögensverzeichnis des Schuldners (inklusive Angaben zum Vermögen des Ehegatten)
- Belege zur aktuellen Einkommens- und Vermögenssituation
- Erklärung, ob das beantragte Insolvenzverfahren ein Hauptverfahren gemäß der Europäischen Insolvenzordnung (EurInsVO) ist
Ablauf der Insolvenz in Lettland
Das eigentliche Verfahren teilt sich in zwei Abschnitte: dem lettischen Insolvenzverfahren und der Wohlverhaltensphase.
Während des Insolvenzverfahrens wird – sofern vorhanden – das Vermögen des Schuldners verwertet und an die Gläubiger verteilt. Soweit der Schuldner bestimmte Dinge für seine Arbeit oder sein künftiges Vermögen braucht, können diese ausgesondert werden. Anschließend erstellt der Verwalter einen Bericht.
Diese Phase sollte gewöhnlich nicht mehr als sechs Monate dauern. Damit ist das Verfahren zur Insolvenz in Lettland schon beendet.
Nun leitet das Gericht per Beschluss die Wohlverhaltensphase ein. Wie lange die Wohlverhaltensperiode dauert, richtet sich danach, welchen prozentualen Anteil der Forderungen der Schuldner bezahlen kann.
Hierbei werden jedoch nur jene Forderungen berücksichtigt, die in Lettland angemeldet wurden.
- Kann der Schuldner mindestens 50 Prozent dieser Forderungen bezahlen, dauert die Wohlverhaltensphase sechs Monate.
- Ist er in der Lage, mindestens 35 Prozent zu begleichen, endet die Wohlverhaltensphase nach zwölf Monaten.
- Wer mindestens 20 Prozent schafft, durchläuft im Rahmen seiner Insolvenz in Lettland eine Wohlverhaltensperiode von 18 Monaten.
Bei Schuldnern, die weniger als 20 Prozent ihrer Schulden bezahlen können, richtet sich die Dauer dieser Phase nach der Höhe der insgesamt angemeldeten Forderungen:
- 12 Monate: Forderungen liegen unter 30.000 Euro
- 24 Monate: Forderungen betragen insgesamt 30.001 bis 150.000 Euro
- 36 Monate: mehr als 150.000 Euro
In vielen Fällen endet die private Insolvenz in Lettland bereits nach zwölf Monaten, bei schwierigeren Konstellationen nach bis zu 24 Monaten.
Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase erteilt das Gericht die Restschuldbefreiung. Sie gilt gewöhnlich für alle noch offenen Schulden, auch wenn diese gegenüber dem Finanzamt oder Sozialversicherungsträgern bestehen oder wenn sie auf früheren deliktischen Ansprüchen beruhen.
Anschließend ist es noch erforderlich, die Restschuldbefreiung ins Deutsche übersetzen und in Deutschland anerkennen zu lassen.
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