Sowohl die Regelinsolvenz als auch die Privatinsolvenz verfolgen das Ziel, alle Gläubiger eines zahlungsunfähigen oder überschuldeten Schuldners gleichmäßig zu befriedigen, sprich sämtliche Schulden weitestgehend zu tilgen.
Im Insolvenzverfahren kommt der Gläubigerversammlung eine besondere Bedeutung zu. Sie ist ein wichtiges Organ, welches die Rechte der Gläubiger gegenüber dem Insolvenzverwalter, dem Gericht und dem Schuldner wahrnimmt. Sie hat erhebliche Befugnisse, weil nach dem Insolvenzrecht die Gläubiger die „Herren des Verfahrens“ sein sollen und nicht der Insolvenzverwalter.
Gläubigerversammlung kurz zusammengefasst
Die Gläubigerversammlung ist ein wichtiges Organ im Insolvenzverfahren mit starken Einflussmöglichkeiten. Mehr zu ihren Aufgaben lesen Sie hier.
Ihre Beschlüsse sind bindend – auch für Gläubiger, die nicht an der Versammlung teilnahmen.
Ein weiteres wichtiges Organ ist der Gläubigerausschuss zur Unterstützung und Kontrolle des Insolvenzverwalters.
Inhalt
Aufgaben der Gläubigerversammlung während der Insolvenz
Die Gläubigerversammlung entscheidet gemäß § 157 InsO über die Zukunft des insolventen Schuldners bzw. Unternehmens. Sie hat diesbezüglich mehrere Alternativen zur Auswahl, von denen sie im Berichtstermin Gebrauch machen kann:
- sofortige Stilllegung des Betriebs (Liquidation)
- vorläufige Fortführung des Unternehmens
- Veräußerung an einen Investor zum (teilweisen oder vollständigen) Erhalt der Firma (Unternehmenssanierung)
Des Weiteren kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter auch damit beauftragen, einen Insolvenzplan (Sanierungsplan) zur Unternehmensrettung zu erstellen. Ihre Rechte gehen sogar so weit, dass sie die Veräußerung des Betriebs an bestimmte besonders interessierte Personen wie Nahestehende verhindern kann.
Und auch den weitreichenden Befugnissen des Insolvenzverwalters kann sie Grenzen setzen. Denn er muss die Versammlung bei sehr bedeutenden Rechtshandlungen um Zustimmung bitten, wenn kein Gläubigerausschuss existiert. Das betrifft z. B. Grundstücksveräußerungen.
Zusätzlich besitzt die Gläubigerversammlung weitere Einflussmöglichkeiten während des Verfahrens, z. B.:
- Auswechseln des alten und Wahl eines neuen Insolvenzverwalters (§ 57 InsO)
- Auskunftsrecht über den Sachstand gegenüber dem Insolvenzverwalter (§ 79 InsO)
- Entgegennahme von Berichten des Insolvenzverwalters (§ 156 InsO)
Stimmrechte der Gläubiger und Bindungswirkung von Beschlüssen
Bei der Gläubigerversammlung ist die Teilnahme nicht obligatorisch. Dennoch ist sie eine wichtige Plattform, um den eigenen Einfluss geltend zu machen. Schon aus diesem Grund kann es für die Gläubiger ratsam sein, den entsprechenden Terminen beizuwohnen. Es ist auch zu beachten, dass die Beschlüsse, welche die Gläubigerversammlung trifft, auch für die abwesenden Gläubiger bindend sind.
Zum Zustandekommen von Beschlüssen besagt § 76 Abs. 2 InsO Folgendes:
„Ein Beschluss der Gläubigerversammlung kommt zustande, wenn die Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger beträgt, bei absonderungsberechtigten Gläubigern, denen der Schuldner nicht persönlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Forderungsbetrags.“
Der Wortlaut dieser Vorschrift mag etwas merkwürdig sein. Dennoch geht daraus hervor, dass ein einziger stimmberechtigter Gläubiger genügt, um einen Beschluss zu fassen, sofern seine Forderung der im soeben zitierten Paragraphen entspricht, also mehr als 50 Prozent ausmacht.
Das Stimmrecht steht gemäß § 77 InsO normalerweise nur jenen Gläubigern zu, die ihre Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben und diese vom Insolvenzverwalter nicht bestritten wurden. Nachrangige Insolvenzgläubiger und jene, deren Forderungen bestritten werden, sind zwar gewöhnlich nicht stimmberechtigt, allerdings kann ihnen die Gläubigerversammlung eine Stimme einräumen.
Folgt die Gläubigerversammlung einem bestimmten Ablauf?
Die erste Gläubigerversammlung kommt beim sogenannten Berichtstermin zusammen, welcher innerhalb von sechs Wochen bis drei Monate nach der Insolvenzeröffnung stattfinden muss. Hier informiert der Insolvenzverwalter die Gläubiger über die finanzielle Situation des Insolvenzschuldners sowie die Erfolgsaussichten einer möglichen Sanierung. Die von ihm zur Verfügung gestellten Informationen bilden eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Gläubiger hinsichtlich des Fortgangs des weiteren Verfahrens.
Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters trifft die Gläubigerversammlung folgende Entscheidungen:
- Bleibt der Verwalter im Amt oder soll ein neuer Insolvenzverwalter betraut werden?
- Wie soll die Zukunft des insolventen Unternehmens aussehen (Zerschlagung, Fortführung, Sanierung)?
Meistens folgt dem Berichtstermin ein sogenannter – ebenfalls gerichtlich bestimmter – Prüfungstermin als zweite Gläubigerversammlung, sofern das Insolvenzgericht kein schriftliches Verfahren anordnet. In diesem Termin werden die von den Insolvenzgläubigern angemeldeten Forderungen geprüft.
Stellt der Insolvenzverwalter die Forderung als berechtigt fest, so wirkt dies im weiteren Insolvenzverfahren wie ein rechtskräftiges Urteil. Bestreitet der Verwalter die Forderung, so muss der entsprechende Insolvenzgläubiger diese außerhalb des Verfahrens vor dem Zivilgericht erstreiten. Auch den Insolvenzgläubigern steht übrigens ein Widerspruchsrecht gegen einzelne angemeldete Forderungen zu.
Eine weitere Gläubigerversammlung ist der Schlusstermin. Zur Vorbereitung hierauf stellt der Insolvenzverwalter folgende Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung:
- Verteilungsverzeichnis mit allen angemeldeten Insolvenzforderungen
- Schlussbericht über seine Arbeit und die Entwicklung des Vermögens des Insolvenzschuldners
Gläubigerausschuss als weiteres wichtiges Organ
Der in § 69 InsO geregelte Gläubigerausschuss ist neben der Gläubigerversammlung das zweite wichtige Organ während des Insolvenzverfahrens. Seine Mitglieder unterstützen den Insolvenzverwalter und überwachen ihn gleichzeitig.
Das funktioniert aber nur, wenn der Verwalter den Ausschuss über seine Geschäftstätigkeiten unterrichtet, ihnen Einblick in sämtliche Geschäftsunterlagen gewährt und den Vermögensbestand sowie Geldtransaktionen überprüfen lässt. Nur so kann der Ausschluss Entscheidungen und Handlungen des Insolvenzverwalters verhindern, welche die Insolvenzmasse (= Schuldnervermögen) schädigen.
Der Ausschuss kommt durch die erste Gläubigerversammlung, den Berichtstermin, zum Einsatz. Weil von der Insolvenzeröffnung bis zu diesem Termin oft viele Wochen ins Land streichen, kann das Insolvenzgericht bereits vorher einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen.
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