Angenommen, Person A möchte ein Unternehmen gründen und benötigt hierfür einen Kredit von 50.000 Euro. Die Bank wird ihr dieses Geld nur leihen, wenn A ihr im Gegenzug eine Sicherheit für den Fall erbringt, dass sie nicht in der Lage sein werden, das Geld rechtzeitig wieder zurückzuzahlen. Aber A hat keine solche Sicherheit, z. B. in Form eigener Immobilien vorzuweisen.
Anderes Beispiel: Person B hat das Abitur in der Tasche und möchten nun in eine andere Stadt ziehen und dort studieren. Das nötige Kleingeld für die erste eigene Wohnung fehlt ihr. Aber auch der Vermieter möchte eine Sicherheit dafür, dass er seine Miete pünktlich jeden Monat bekommt.
In beiden Fällen gibt es eine Lösung: Die Bürgschaft. Die entsprechende Person holt einen Dritten ins Boot, der an ihrer Stelle eine Sicherheit erbringt, und zwar ganz uneigennützig. Dieser Dritte unterschreibt eine Bürgschaftserklärung mit dem Inhalt, dass er im Falle der Zahlungsunfähigkeit für die fremden Schulden einstehen wird. Wie das genau funktioniert und wo die Gefahren lauern, erklärt der folgende Ratgeber.
Bürgschaft kurz zusammengefasst
Die Bürgschaft verpflichtet den Bürgen, mit dem eigenen Vermögen für fremde Schulden einzustehen.
Wird die Bürgschaft selbstschuldnerisch übernommen, so haftet der Bürge sofort, wenn der Hauptschuldner mit seinen Zahlungen an den Gläubiger in Verzug gerät.
Einen Kredit mit einem Bürgen zu beantragen, verschafft dem Kreditnehmer eine bessere Bonität, birgt aber ein großes finanzielles Risiko für den Bürgen.
Inhalte
Was ist eine Bürgschaft – oder: Was bedeutet es zu bürgen?
Wenn Sie eine Bürgschaft übernehmen, dann verpflichten Sie sich als Bürge, dem Gläubiger gegenüber für die Verbindlichkeiten bzw. Schulden eines Dritten einzustehen, und zwar ohne dass Sie davon profitieren. Oft sind es Freunde oder Verwandte, die eine derartige Verpflichtung zugunsten einer nahestehenden Person übernehmen, um ihr zu helfen.
Solange diese Person regelmäßig ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt, ist alles in Ordnung. Solange passiert dem Bürgen nichts. Schwierig wird es erst, wenn der eigentliche Schuldner seine Zahlungen einstellt und sich der Gläubiger an den Bürgen hält. Welche Folgen hat dann die Bürgschaft?
§ 765 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gibt eine Antwort hierauf:
„Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.“
Kommt der eigentliche Schuldner seinen Pflichten nicht mehr nach, kann dessen Gläubiger nun an den Bürgen herantreten, und die Forderung bei diesem eintreiben. Kehren wir kurz zu unserem ersten Beispiel zurück:
Der Bürge, der für den angehenden Unternehmer (Person A) eine Kreditbürgschaft über die 50.000 Euro übernommen hat, müsste nun unter Umständen dieses Geld in voller Höhe aufbringen. Wer unbedacht eine solche Bürgschaft unterschrieben hat, ruiniert damit seine eigene wirtschaftliche Existenz, wenn er dieses Geld nicht zur Verfügung hat.
Überlegen Sie sich daher im Vorfeld gut, ob Sie überhaupt in der Lage sind, im Zweifel wirklich zu bürgen und für die fragliche Summe einzustehen. Als Bürge haften Sie in vollem Umfang mit Ihrem gesamten Vermögen und Einkommen.
Bürgschaft – Schuldner, Gläubiger und ein Dritter im Bunde
Zur Vereinfachung wollen wir kurz darstellen, welche Personen im Falle einer Bürgschaft beteiligt sind:
- Zwei Parteien wollen einen Vertrag abschließen, z. B. einen Kredit oder einen Mietvertrag. Diese beiden Parteien nennen wir (Haupt-) Schuldner und Gläubiger. Die Forderung, die der Gläubiger gegen seinen Schuldner hat, nennen wir Hauptforderung. Das kann die Rückzahlung eines Kredits sein, die regelmäßige Zahlung der Miete oder etwas anderes.
- Der Bürge ist der Dritte. Er schließt mit dem Gläubiger den Bürgschaftsvertrag, um dessen Hauptforderung abzusichern, falls der Schuldner nicht (mehr) zahlt. Der Bürge ist ebenfalls ein Schuldner des Gläubigers.
Akzessiorietät der Bürgschaft – Abhängigkeit von der Hauptschuld
Einen Wermutstropfen gibt es für den Bürgen. Er haftet nicht bis ins Unermessliche. Der Gesetzgeber hat seine Haftung der Höhe nach beschränkt und sie außerdem von der zugrunde liegenden Hauptschuld abhängig gemacht.
§ 767 BGB sagt dazu folgendes:
„(1) Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.
(2) Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.“
Doch was bedeutet das genau?
- Der Bürge haftet nur in der Höhe, in der die Forderung auch besteht.
Hat die Person A in unserem ersten Beispiel bereits 20.000 Euro ihres Kredits abbezahlt und kann dann nicht mehr zahlen, haftet der Bürge nur noch für den verbleibenden Rest des Darlehens, also für die noch nicht zurückgezahlten 30.000 Euro. - Im Falle einer Bankbürgschaft muss der Bürge auch die Zinsen zahlen.
- Wenn das ursprüngliche Geschäft – also z. B. wieder der Kreditvertrag zwischen A und seiner Bank – nicht wirksam war, darf der Bürge diese Einwände geltend machen, wenn der Gläubiger ihn nun zur Zahlung auffordert. Das heißt, er muss dann trotz Bürgschaft nicht zahlen, vor allem dann nicht, wenn die eigentliche Forderung nicht mehr besteht.
Welche Bürgschaftsarten gibt es?
Wir haben bereits gesehen, dass man für einen Kredit bürgen kann oder für Mietzahlungen. Es gibt aber noch einige andere Möglichkeiten, die wir im Folgenden vorstellen wollen:
Ausfallbürgschaft oder gewöhnliche Bürgschaft
Bei der gewöhnlichen Bürgschaft muss sich der Gläubiger zunächst an seinen Hauptschuldner wenden. Im Fachjargon heißt das „Einrede der Vorausklage“.
Das bedeutet, dass der Bürge den Gläubiger zunächst an den Hauptschuldner verweisen kann. Der Gläubiger muss dann zuerst die Zwangsvollstreckung beim Hauptschuldner betreiben.
Nur wenn das scheitert oder wenn das Vermögen des Hauptschuldners nicht ausreicht, um die gesamten Schulden zu decken, muss der Bürge für die noch bestehende Schuld einstehen.
Selbstschuldnerische Bürgschaft
Es gibt aber auch eine – recht gefährliche – Form der Bürgschaft, bei der sich der Gläubiger sofort an den Bürgen wenden kann. Die bereits erwähnte „Einrede der Vorausklage“ gilt hier nicht. Stattdessen haftet der Bürge sofort, wenn der Schuldner in Verzug kommt, also nicht rechtzeitig zahlt.
Der Gläubiger muss den Schuldner nicht einmal mahnen oder zur Zahlung auffordern, sondern kann direkt gegen den Bürgen vorgehen. Das macht diese Form des Bürgens so riskant.
Der Bürge hat aber eine Möglichkeit, sich bis zu einem gewissen Grad abzusichern: Hierfür begrenzt er den Vertrag auf einen festgelegten Höchstbetrag (Höchstbetragsbürgschaft). Eine andere Möglichkeit ist es, die Haftung auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen.
Gewährleistungsbürgschaft
Diese Bürgschaftsform kommt z. B. in der Bau- und Handwerksbranche zur Anwendung. Hat ein Handwerker beispielsweise eine Heizungsanlage nicht ordnungsgemäß montiert, sodass diese nicht funktioniert, so muss er diesen Mangel beseitigen.
Doch was passiert, wenn der Handwerksbetrieb pleite geht und Insolvenz anmeldet?
Hier kommt die Gewährleistungsbürgschaft ins Spiel. Der Bürge steht dann für die Kosten ein, die aufgrund einer Mängelbeseitigung innerhalb der Gewährleistungsfrist entstehen.
Bürgschaft auf erstes Anfordern
Kommt es zum Streit zwischen den Beteiligten, so müsste der Gläubiger nicht nur den Bürgschaftsvertrag nachweisen, sondern auch den Anspruch gegen seinen Hauptschuldner.
Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist eine Ausnahme hiervon: Soll der Bürge z. B. für eine fällige Hauptforderung haften, so genügt es, wenn der Gläubiger behauptet, dass die Hauptforderung fällig sei. Dann muss der Bürge zahlen, ohne Einwendungen oder Einreden gegen die Hauptschuld geltend machen zu können.
Anzahlungsbürgschaft oder Vorauszahlungsbürgschaft
Angenommen, ein Unternehmen X beauftragt als Auftraggeber ein Unternehmen Y als Auftragnehmer damit, eine bestimmte Maschinenanlage herzustellen.
Es handelt sich um eine Spezialanfertigung mit hohen Produktionskosten für den Auftragnehmer Y. Weil die Herstellung so teuer ist, verlangt Y von X eine entsprechende Vorauszahlung bzw. Anzahlung.
Wenn Y nun trotz Anzahlung mit dem Auftrag überfordert ist und ein Insolvenzverfahren beantragen muss, dann wäre das Geld für den Auftraggeber X verloren. Er hätte einen Teil bezahlt, aber dafür nichts zurückbekommen.
Gegen solche finanzielle Verluste hilft die Anzahlungsbürgschaft. Diese Form der Bürgschaft stellt sicher, dass X seine Vorauszahlung zurückbekommt, wenn Y seinen Auftrag nicht oder nur unzureichend erledigt.
Mit gefangen – mit gehangen? Kann ich eine Bürgschaft kündigen
Jede Bürgschaft verfolgt einen bestimmten Zweck: Der Gläubiger möchte sichergehen, dass er das ihm zustehende Geld auch tatsächlich bekommt. Denn hohe Zahlungsausfälle können ihn in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Genau hierfür gibt es die Bürgschaft. Sie soll dem Gläubiger eben jene Sicherheit gewähren, indem er sich das Geld vom Bürgen holt, wenn der Hauptschuldner nicht zahlt oder zahlungsunfähig ist.
Könnte der Bürge jederzeit einfach aussteigen und die Bürgschaft kündigen, wäre diese Sicherheit zunichte. Das ist auch der Grund, warum Bürgen sich nicht einfach aus der Affäre ziehen können, wenn sie den Bürgschaftsvertrag einmal unterschrieben haben. In den meisten Fällen ist die einseitige Beendigung der Bürgschaft daher ausgeschlossen, sofern der entsprechende Vertrag kein Kündigungsrecht vorsieht.
Allenfalls eine Kündigung aus wichtigem Grund kann möglich sein, wenn eine Bürgschaft für unbestimmte Zeit übernommen wurde. Diese Form der Kündigung ist in § 314 BGB geregelt.
Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift erklärt, was ein wichtiger Grund ist:
„Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“
Diese außerordentliche Kündigung einer Bürgschaft wird jedoch eher die Ausnahme und nur unter strengen Voraussetzungen möglich sein. Sie kommt z. B. dann bei einer Scheidung in Betracht, wenn ein Ehepartner für die Zahlungsverpflichtungen seines ehemaligen Gatten aufkommen soll.
Wann ist eine Haftung des Bürgen ausgeschlossen?
Abgesehen von der außerordentlichen Kündigung kommen noch drei weitere Fälle in Betracht, in denen der Bürge nicht mehr haften muss:
- Die Hauptschuld entfällt und damit auch das Sicherungsinteresse des Gläubigers. Ist zum Beispiel der Kredit abbezahlt, haftet der Bürge nicht mehr.
- Wenn Hauptschuldner wechselt, endet die Bürgschaft.
Unter Ehepartnern kann eine Bürgschaft sittenwidrig und damit unwirksam sein. Hierfür müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Az. IX ZR 198/98, IX ZR 55/96 und IX ZR82/01 für eheähnliche Partnerschaften ) ist das dann der Fall, wenn
- ein Ehegatte für den anderen bürgt und
- dabei seine finanziellen Möglichkeiten überschreitet,
- weil dann davon auszugehen ist, dass sich der bürgende Partner allein aus emotionalen Gründen leiten ließ.
Wollen Sie wirklich mit einer Bürgschaft für fremde Schulden einstehen?
Ihre Entscheidung, für die Schulden oder Verbindlichkeiten eines Dritten einzustehen, sollten Sie genau überdenken:
- Lassen Sie sich keinesfalls moralisch unter Druck setzen. Eine Bürgschaft ist eben keine „reine Formsache“, sondern ein einseitig verpflichtender Vertrag.
- Prüfen Sie die Formulierungen im Vertrag genau und lassen Sie sich die Regelungen gegebenenfalls von einem Anwalt erklären.
- Prüfen Sie vorher genau, ob Sie überhaupt in der Lage sind, die Summe aufzubringen, für die Sie bürgen sollen. Wenn Sie das nicht können, sollten Sie den Vertrag auch nicht unterschreiben. Anderenfalls setzen Sie selbst Ihre wirtschaftliche Existenz aufs Spiel und landet schlimmstenfalls in der Überschuldung.
- Die Bürgschaft sollte auf einen Höchstbetrag und zeitlich begrenzt werden.
- Vereinbaren Sie mit dem Gläubiger im Bürgschaftsvertrag ein Kündigungsrecht.
Ihre Ansprüche als Bürge gegen den Hauptschuldner
Bevor ein Bürge die Bürgschaft unterschreibt, empfiehlt es sich, eine schriftliche Vereinbarung mit dem Hauptschuldner zu treffen, warum er mit seinem Vermögen für dessen Schulden einstehen soll. Diese Vereinbarung gewährt dem Bürgen einen Regressanspruch gegen den Hauptschuldner für den Fall, dass er wirklich dessen Schulden beim Gläubiger begleichen muss.
Jeder Bürge sollte außerdem wissen, dass er einen gesetzlichen Anspruch auf Rückerstattung gegen den Hauptschuldner hat, wenn er dessen Gläubiger befriedigt. Dieser ergibt sich aus § 774 Abs. 1 BGB.
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