Justitias Mühlen mahlen meistens langsam. Gerichtliche Verfahren und die anschließende Vollstreckung der Urteile dauern ihre Zeit. Sechs bis neun Monate bis zu einem Räumungsurteil sind keine Seltenheit. Und bei schwierigeren Rechtsstreitigkeiten kann es schon mal ein, zwei Jahre dauern.
Besonders kostengünstig ist eine Räumungsklage auch nicht. Hinzu kommen die Kosten für die Zwangsräumung. Bei der klassischen Variante lässt der Gerichtsvollzieher den Hausrat des Mieters abtransportieren, verwahren und verwerten oder vernichten. So fallen neben den Gebühren für den Gerichtsvollzieher auch Speditions- und Lagerkosten an.
Es gibt allerdings eine einfachere, etwas kostengünstigere Methode der Zwangsräumung: das sogenannte Berliner Modell, auch Berliner Räumung genannt.
Berliner Modell kurz zusammengefasst
Das Berliner Modell ist eine vereinfachte Form der Zwangsräumung, bei der die Sachen des Mieters normalerweise in der Wohnung verbleiben und der Gerichtsvollzieher nur das Schloss austauscht.
Der Gläubiger muss die Sachen des Mieters bzw. Vollstreckungsschuldners einen Monat lang aufbewahren.
Der Vermieter (Vollstreckungsgläubiger) darf eine Wohnung erst dann zwangsräumen lassen, wenn er im Rahmen einer Räumungsklage einen Räumungstitel (Vollstreckungstitel) erwirkt hat.
Inhalt
Was ist das Berliner Modell?
So richtig geräumt wird bei der Berliner Pfändung zunächst einmal nicht. Der Hausrat verbleibt gewöhnlich in der Wohnung.
Der Gerichtsvollzieher setzt lediglich den Mieter vor die Tür und wechselt anschließend das Schloss aus. Dadurch fallen vorerst nur die Kosten für den Staatsdiener an, nicht aber für eine Spedition.
Aus juristischer Perspektive bedeutet das Berliner Modell Folgendes: Der Vermieter verlangt nicht nur die Räumung seines Eigentums, sondern er beruft sich gleichzeitig auf sein Vermieterpfandrecht. Dieses ist in § 562 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Danach hat der Vermieter z. B. für ausstehende Mietzahlungen ein Pfandrecht an den „eingebrachten Sachen des Mieters“, also an dessen Hausrat, soweit dieser pfändbar ist. Dieses Pfandrecht erlaubt es dem Vermieter, die entsprechenden Sachen in Besitz nehmen und versteigern zu lassen, um mit dem Erlös seine offenen Forderungen auszugleichen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise nach dem Berliner Modell in seinem Beschluss vom 17.11.2005 (Az. I ZB 45/05) bekräftigt:
„Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf eine Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht. Auch wenn in einem solchen Fall Streit […] darüber besteht, ob alle beweglichen Sachen des Schuldners vom Vermieterpfandrecht erfasst werden, hat der Gerichtsvollzieher nicht eine Räumung der Wohnung nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorzunehmen.“
Der Name „Berliner Modell“ bzw. Berliner Räumung ist auf Rechtsprechungsnachweise aus Berlin zurückzuführen.
Ablauf der Berliner Räumung
Unabhängig davon, ob der Vermieter eine klassische Zwangsräumung oder die Räumung seines Eigentums nach dem „Berliner Modell“ anstrebt, benötigt er zunächst einen vollstreckbaren Räumungstitel. Das kann ein Gerichtsurteil oder ein Beschluss sein.
Dieser Räumungstitel muss dem Räumungsschuldner, also gewöhnlich dem Mieter, ordnungsgemäß zugestellt worden sein. Im Zweifelsfalle kann der Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragt werden.
Der Vermieter muss dem Gerichtsvollzieher die vom Gericht nur einmal ausgestellte vollstreckbare Urteilsausfertigung überreichen. Nur mit dieser darf die Zwangsräumung – klassisch oder nach dem „Berliner Modell“ durchgeführt werden. Ohne diesen Vollstreckungstitel wird der Gerichtsvollzieher gar nicht erst tätig; und auf eigene Faust darf der Vermieter nicht räumen.
Nachdem der Vermieter den Gerichtsvollzieher beauftragt hat, tauscht dieser normalerweise nur das Schloss der Wohnungstür aus. Dadurch entzieht er dem bisherigen Mieter den Besitz an der Wohnung. Dieser erhält anschließend die Gelegenheit, die Wohnung selbst zu räumen und seine Sachen abzuholen. Das „Berliner Modell“ funktioniert am besten, wenn der Mieter dieser Aufforderung auch nachkommt, denn dann muss sich der Vermieter nicht mehr mit dessen Habseligkeiten auseinandersetzen.
Diese Vorgehensweise ist seit der zum 01.05.2013 in Kraft getretenen Mietrechtsreform gesetzlich verankert. Nach § 885a Zivilprozessordnung (ZPO) kann der Räumungsauftrag auf die Herausgabe der Wohnung beschränkt werden (sog. beschränkter Vollstreckungsauftrag).
Der Gerichtsvollzieher soll bei der Räumung nach dem „Berliner Modell“ die in der Wohnung befindlichen Gegenstände des Mieters zur Beweissicherung dokumentieren, beispielsweise in Form von Fotos. Diese Pflicht ergibt sich aus § 885a Abs. 1 ZPO.
Pflichten des Vermieters beim Berliner Modell
Der Vermieter als Gläubiger darf mit den Sachen des Mieters nicht nach eigenem Belieben verfahren. § 885a Ab. 3 und 5 ZPO legt ihm einige Pflichten auf:
- Zwar darf der Vermieter die Mietersachen wegschaffen. Er muss sie aber nach dem Räumungstermin einen Monat lang verwahren. Hiervon ausgenommen sind lediglich Sachen, „an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht“, beispielsweise Müll und Abfall.
- Unpfändbare Sachen, die nicht dem Vermieterpfandrecht unterliegen, muss der Gläubiger dem Räumungsschuldner sofort herausgeben, wenn dieser es verlangt. Die Frage, was gepfändet werden darf und was nicht, führt oft zu weiteren Rechtsstreitigkeiten. Unpfändbar sind auf jeden Fall jene Gegenstände, die für eine angemessene Lebens- und Haushaltsführung notwendig sind, wie Bett, Kühlschrank und Kleiderschrank.
Fordert der Vollstreckungsschuldner seine Sachen nicht innerhalb der Monatsfrist zurück, so kann sein Gläubiger diese verwerten oder – soweit sie nicht verwertbar sind – vernichten.
Kann der Mieter die Räumung nach dem Berliner Modell abwenden?
Der Schuldner kann am Räumungstag einwenden, dass die Zwangsräumung eine sittenwidrige Härte darstellt. Hierfür muss er dem Gerichtsvollzieher Folgendes glaubhaft darlegen:
- Sittenwidrigkeit der Zwangsvollstreckungsmaßnahme
- die Tatsache, dass er das Vollstreckungsgericht nicht mehr rechtzeitig einschalten konnte oder
- dass er nicht in der Lage war, seinen Hausrat rechtzeitig zu entfernen und anderweitig unterzubringen
In diesem Fall kann der Gerichtsvollzieher die Berliner Räumung für eine Woche vorläufig einstellen.
Mieter, denen eine Zwangsräumung droht, egal ob auf herkömmliche Weise oder nach dem Berliner Modell, sollten so schnell wie möglich handeln und sich an einen Mieterschutzverein oder einen Rechtsanwalt wenden. Diese können genau prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten im Einzelfall erfolgsversprechend sind.
Im Idealfall lassen sie es aber erst gar nicht bis zu einer Räumungsklage oder Zwangsräumung kommen. Wer Mietschulden hat, kann sich von einer Schuldnerberatung bei der Schuldenregulierung unterstützen lassen.
Bildnachweise:
– fotolia.com/flyingcam
– fotolia.com/esdras700
– fotolia.com/kelifamily
– fotolia.com/czarny_bezy