Jeder Gläubiger möchte, dass seine Forderung vollumfänglich beglichen wird. Befindet sich der Schuldner jedoch in der Insolvenz, muss er höchstwahrscheinlich Abstriche machen und damit rechnen, dass er nicht alles bezahlt bekommt. Denn im Falle eines Insolvenzverfahrens wird das Schuldnervermögen – die sogenannte Insolvenzmasse – vom Insolvenzverwalter verwertet. Den Erlös verteilt er quotenmäßig – also gleichmäßig – an alle Insolvenzgläubiger.
Dabei kann es vorkommen, dass sich unter dem Schuldnervermögen Dinge befinden, die dem Schuldner gar nicht gehören, sondern die im Eigentum eines Dritten stehen. Auch die Rechte dieser Dritten müssen im Insolvenzverfahren ausreichend berücksichtigt werden. Das geschieht über das Aussonderungsrecht. Was es damit auf sich hat, erklären wir hier.
Aussonderungsrecht kurz zusammengefasst
Das Aussonderungsrecht ist z. B. das Recht des Eigentümers auf Herausgabe (Aussonderung) seines Eigentums aus der Insolvenzmasse.
Besteht ein solches Recht, muss der Insolvenzverwalter den davon betroffenen Gegenstand an den Aussonderungsberechtigten herausgeben und darf es nicht verwerten.
Wurde der besagte Gegenstand unberechtigterweise vom Schuldner oder dem Insolvenzverwalter veräußert, steht dem Aussonderungsberechtigten eine Ersatzaussonderung zu.
Inhalt
Welche Bedeutung hat das Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren?
Ein Angestellter, der sein Auto über Raten finanziert und diese plötzlich nicht mehr bezahlen kann, weil er seinen Job verliert. Das Unternehmen, das teure Maschinen auf Ratenzahlung kauft und kurz darauf Insolvenz anmelden muss.
In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass der Verkäufer das Eigentum an seiner Ware verliert, ohne dass er bereits den gesamten Kaufpreis – also einen adäquaten Gegenwert – erhalten hat.
Um diese Gefahr zu umgehen, vereinbaren Händler regelmäßig einen einfachen Eigentumsvorbehalt. Das bedeutet, dass der Käufer erst dann das Eigentum an der gekauften Sache wie dem Auto oder den Maschinen erwirbt, wenn er die letzte Rate gezahlt hat. Geht der Schuldner (Käufer) nun in die Insolvenz, bleibt der Verkäufer als Gläubiger Eigentümer und kann die Herausgabe seines Eigentums verlangen. Mit anderen Worten: Er hat ein Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren.
Was bedeutet das jetzt genau? Normalerweise muss doch der Gläubiger eines insolventen Schuldners seine Geldforderung beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Wird seine Forderung vom Insolvenzverwalter anerkannt, erhält er seinen Anteil aus dem Schuldnervermögen bzw. der Insolvenzmasse als Ausgleich seiner offenen Forderung. Das kann mitunter nur ein Bruchteil dessen sein, was er ursprünglich vom Schuldner bekommen würde. Denn die anderen Gläubiger sollen auch so gut wie möglich befriedigt werden.
Für aussonderungsberechtigte Gläubiger gilt dies nicht – aus zwei Gründen:
- Sie machen keine Geldforderung geltend, sondern ihr Eigentumsrecht.
- Sie sind keine Insolvenzgläubiger, sondern diesen gegenüber sogar privilegiert. Sie können die Herausgabe ihres Eigentums verlangen, bevor die anderen Gläubiger befriedigt werden.
Unter welchen Voraussetzungen entsteht ein Aussonderungsrecht in der Insolvenz?
Geregelt ist das Aussonderungsrecht in der InsO (Insolvenzordnung).
Die in § 47 InsO benannten dinglichen Ansprüche, die zur Aussonderung berechtigten, können z. B. folgende sein:
- Herausgabeanspruch des Eigentümers nach § 985 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Anspruch des Eigentümers oder eines anderen Inhabers von Grundstücksrechten auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB
- Unterlassungsansprüche des Eigentümers nach § 1004 BGB
Das Aussonderungsrecht muss bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben. Für das obige Beispiel zum Eigentumsvorbehalt bedeutet dies, dass der Vorbehalt bereits vor der Insolvenzeröffnung vereinbart worden sein muss. Dann muss der Insolvenzverwalter den entsprechenden Gegenstand, also z. B. das Auto oder die Maschinen, herausgeben, und darf ihn nicht verwerten.
Wie können Berechtigte ihr Aussonderungsrecht geltend machen?
Aussonderungsberechtigte Gläubiger, die die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse geltend machen möchten, können wie folgt vorgehen:
Prüfen Sie zunächst, ob Ihnen ein Aussonderungsrecht zusteht (z. B. in Form eines einfachen Eigentumsvorbehalts). Können Sie dieses Aussonderungsrecht hinreichend begründen und gegebenenfalls vor Gericht nachweisen, z. B. durch vertragliche Unterlagen?
Machen Sie Ihr Recht durch einen entsprechend Antrag schriftlich gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend. Hierfür müssen Sie den gewünschten Gegenstand konkret benennen, Aussonderungsgläubiger werden bereits im Beschluss zur Insolvenzeröffnung aufgefordert, ihre Rechte unverzüglich geltend zu machen. Der Insolvenzverwalter stellt derartige Gegenstände bereits bei der Inventarisierung des Schuldnervermögens sicher und wird den Betroffenen auffordern, Ihre Aussonderungsrecht geltend zu machen.
Wenn Sie das Aussonderungsrecht nachgewiesen haben, empfiehlt es sich, unmittelbar einen Herausgabetermin mit dem Insolvenzverwalter zu vereinbaren.
Sollte sich der Insolvenzverwalter weigern, den Gegenstand herauszugeben, kann der aussonderungsberechtigte Gläubiger vor dem Zivilgericht auf Herausgabe der Sache klagen. Der Anspruch auf Aussonderung kann auch im Wege einer einstweiligen Verfügung, z. B. durch ein Veräußerungs- oder Einziehungsverbot, gesichert werden.
Im Falle der Zwangsvollstreckung steht dem aussonderungsberechtigten Gläubiger die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Zivilprozessordnung (ZPO) zu.
Unberechtigte Veräußerung des aussonderungsberechtigten Gegenstands
Es kann allerdings auch vorkommen, dass der Insolvenzverwalter unberechtigterweise einen Gegenstand veräußert, obwohl ein Dritter ein Aussonderungsrecht an dieser Sache hatte. Oder der insolvente Schuldner veräußert besagtes Objekt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
In beiden Fällen kann der aussonderungsberechtigte Gläubiger verlangen, dass ihm der Insolvenzverwalter bzw. der Schuldner das Recht auf die Gegenleistung abtritt, beispielsweise das Recht auf den Kaufpreis für den veräußerten Gegenstand. Dies gilt jedoch nur, solange diese Gegenleistung noch aussteht, also noch nicht erfolgt ist.
Wurde die Gegenleistung bereits erbracht, kann der Aussonderungsberechtigte verlangen, dass die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse herausgenommen wird, soweit diese noch von der Masse unterscheidbar ist. Dies wird auch Ersatzaussonderung genannt. Dieses besondere Aussonderungsrecht ist in § 48 InsO geregelt.
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hamid
17. Februar 2019 um 14:28 Uhr
danke für so klare Erklärungen und Beispiele,diese hat mir sehr geholfen.