Die Deutschen stehen im Ruf, sehr pünktlich zu sein. Gilt das auch für die pünktliche Bezahlung offener Verbindlichkeiten? In dieser Hinsicht scheinen deutsche Unternehmen eher pessimistisch zu sein. Laut der EOS-Studie „Europäische Zahlungsgewohnheiten“ aus dem Jahr 2018 gingen 18 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass sich die Zahlungsmoral zukünftig verschlechtern werde. Doch wie sieht es aktuell aus?
Mit der Zahlungsmoral in Deutschland beschäftigten sich unterschiedliche Studien. Die Creditreform untersucht regelmäßig das Zahlungsverhalten der Unternehmen im B2B-Bereich. Dort nahmen die Verzögerungen beim Bezahlen im zweiten Halbjahr 2018 zu und erhöhten sich auf 10,7 Tage. Der Bund Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) beschäftigte sich 2018 mit der Zahlungsmoral der Verbraucher und stellte auch dort Nachlässigkeiten fest.
Zahlungsmoral kurz zusammengefasst
Zahlungsmoral ist laut Definition die Fähigkeit und Bereitschaft, eine Geldforderung bis zur Fälligkeit in voller Höhe zu bezahlen.
Ein schlechtes Zahlungsverhalten des Schuldners kann sich negativ auf den Gewinn sowie die Zahlungsfähigkeit des Gläubigers auswirken und sogar dessen Existenz bedrohen, insbesondere wenn hohe Schulden nicht beglichen werden.
Inhalt
Gute oder schlechte Zahlungsmoral – was heißt das?
Die Zahlungsmoral bzw. das Zahlungsverhalten beschreibt die Fähigkeit bzw. die Bereitschaft eines Schuldners, seine Zahlungsverbindlichkeiten bis zu deren Fälligkeit vollumfänglich zu erfüllen. Ob ein Schuldner fähig ist, rechtzeitig alles zu bezahlen, hängt wiederum davon ab, wie liquide (wie „flüssig“) er ist, ob er also über ausreichend Geld verfügt. Zahlt ein Kunde möglichst früh, im Idealfall sofort, so bezeugt dieses Verhalten eine gute Zahlungsmoral.
Aber warum lässt das Zahlungsverhalten mancher Kunden so zu wünschen übrig? Das hat viele Gründe:
- Es kann sich schlicht um eine Nachlässigkeit handeln, wenn der Schuldner vergessen hat, die Rechnung pünktlich zu überweisen.
- Möglicherweise ist er auch unzufrieden mit der erbrachten Leistung oder Ware und lässt sich deswegen so viel Zeit.
- Schlichtweg gar keine bzw. eine sehr schlechte Zahlungsmoral haben Kunden, die von Anfang an die Absicht hatten, gar nicht zu bezahlen. Hierbei handelt es sich um Straftäter, deren Verhalten als Eingehungsbetrug einzustufen ist.
- Die Ursache für einen Verzug oder Zahlungsausfall kann auch schlichtweg darin begründet sein, dass der Schuldner zahlungsunfähig oder überschuldet ist.
- Lässt die Zahlungsmoral deutscher Unternehmen zu wünschen übrig, kann das damit zusammenhängen, dass diese vorübergehend nicht liquide sind, etwa weil deren Kunden selbst nicht oder nur verspätet zahlen.
Nach der Herbstumfrage 2018 vom Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) beruhen Zahlungsausfälle auf Seiten der Verbraucher auf deren Arbeitslosigkeit, Überschuldung oder einem unkontrollierten Konsumverhalten. Vor allem der Versandhandel und die Energiebranche, aber auch Handwerker und Fitnessstudios hätten mit einer negativen Zahlungsmoral zu kämpfen.
Folgen einer schlechten Zahlungsmoral für den Gläubiger der Geldforderung
Wenn ein Kunde nicht rechtzeitig bezahlt, kann dessen Vertragspartner selbst in (Zahlungs-)Schwierigkeiten geraten. Unter Umständen steht sogar dessen eigene wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel. Nach der oben bereits erwähnten EOS-Studie führte ein solches Zahlungsverhalten bei 14 Prozent der befragten Unternehmen zu Liquiditätsengpässen.
Unter Umständen droht dem entsprechenden Unternehmen die Insolvenz.
Klaus Engberding, CEO der EOS-Gruppe erläutert:
„Müssen Unternehmen lange auf ausstehende Zahlungen warten, können sie mitunter ihre laufenden kosten wie etwa Gehälter für ihre Belegschaft nicht weiter bedienen. Im schlimmsten Fall folgt die Insolvenz. Damit werden wirtschaftliches Potential und Arbeitsplätze vernichtet.“
angelika breinich-schilly: „Schlechte zahlungsmoral bringt unternehmen in not“ auf springerprofessional.de – Beitrag vom 19.10.2018
Doch selbst wenn es nicht so weit kommt, kann eine schlechte Zahlungsmoral laut der Studie folgende unschöne Konsequenzen für das Unternehmen haben, das in Vorleistung gegangen ist:
- Gewinneinbußen
- Rückgang der Investitionen
- restriktive Personalpolitik
- Preisaufschläge
- negative Auswirkungen auf das eigene Zahlungsverhalten
Dennoch ergab die erwähnte EOS-Studie einen positiven Trend hinsichtlich der Zahlungsmoral in Europa. Die termingerechte Erfüllung von Geldforderungen habe sich demnach verbessert – immerhin 79 Prozent aller Rechnungen seien pünktlich bezahlt worden.
Vor dem Geschäftsabschluss Zahlungsmoral und Bonität prüfen
Kunden mit einem eher schlechten Zahlungsverhalten sind schlecht für das eigene Geschäft. Die Zahlungsfähigkeit bzw. Bonität Ihrer Geschäftspartner ist auch Ihre Existenzgrundlage. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) werden Zahlungsausfälle und Verspätungen schnell bedrohlich. Insbesondere Handwerker und kleine produzierende Betriebe müssen oft Materialien vorfinanzieren. Für sie ist deshalb ein wirksames Forderungsmanagement besonders wichtig.
Bahnen sich neue Geschäftsbeziehungen mit Unbekannten an, lohnt ein Blick auf deren Bonität vor dem Vertragsschluss. Ist es um deren Zahlungskraft eher schlecht bestellt, können Sie in einem nächsten Schritt überlegen, ob Sie von diesem Geschäft eher Abstand nehmen oder zumindest Vorkasse verlangen, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden.
Auch bei langjährigen Geschäftspartnern ist es ratsam, ab und an deren Bonität und Zahlungsmoral zu überprüfen, denn auch sie können einmal in eine finanzielle Notlage geraten.
Es gibt verschiedene Informationsquellen zu wirtschaftlichen und finanziellen Auskünften:
- eigene Buchführung (Debitorenbuchführung)
- allgemeine Auskünfte von Banken über Kreditwürdigkeit des potentiellen Kunden (unter Wahrung des Bankgeheimnisses, also ohne konkrete Zahlen)
- Bonitätsabfrage bei den Wirtschaftsauskunfteien Creditreform oder Bürgel (erfordert gewöhnlich eine Mitgliedschaft)
- Bonitätsauskunft bei der SCHUFA (nur bei Mitgliedschaft oder Aufforderung an den Kunden, eine SCHUFA-Auskunft vorzulegen)
- Internet-Auskunfteien
- potentiellen Geschäftspartner um Angabe von Referenzen-Unternehmen bitten, für die er schon gearbeitet hat, und dortige Nachfrage
- über Vergleichsportale und soziale Medien lassen sich z. B. Kundenbewertungen finden
- Amtsgericht am Sitz des Kunden: Abfrage von möglichen eidesstattlichen Versicherungen oder laufenden Insolvenzverfahren, Eintragungen im Handelsregister (muss schriftlich beantragt werden)
Forderungsmanagement: Zahlungsmoral von Kunden beeinflussen
Neben der Bonitätsabfrage ist ein professionelles Forderungsmanagement unerlässlich, um Zahlungsausfälle und -verzögerungen weitestgehend zu vermeiden. Hierbei handelt es sich um ein Mahnwesen, welches vom Gläubiger selbst organisiert und durchgeführt oder an einen externen Dienstleister oder Inkassounternehmen weitergegeben wird.
So lässt sich die Zahlungsmoral des Schuldners unter anderem mit folgenden Maßnahmen beeinflussen und verbessern:
Rechnung zügig nach der erbrachten Leistung oder Lieferung stellen
Warten Sie nicht länger als nötig mit der Rechnungsstellung. Denn die Verjährungsfrist für die Forderung beginnt bereits mit ihrem Entstehen zu laufen und nicht etwa mit dem Rechnungsdatum. Gerade wenn sich Zahlungsschwierigkeiten beim Kunden abzeichnen, kann jeder Tag zählen.
Skonto anbieten als Belohnung
Bieten Sie Ihrem Kunden einen kleinen Erlass von zwei bis drei Prozent an für den Fall, dass er frühzeitig – innerhalb einer bestimmten Frist – bezahlt. So verbessern Sie seine Zahlungsmoral, weil er – gerade bei hohen Rechnungen – bares Geld sparen kann.
Verschiedene Zahlungsmethoden anbieten
Hat der Schuldner die Wahl, kann er den für ihn einfachsten Weg wählen und wird unter Umständen auch schneller zahlen.
Konkrete Zahlungsziele festlegen
Gut zu wissen: Laut § 271 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird die Forderung sofort fällig, wenn kein Leistungszeitpunkt bestimmt ist. Helfen Sie der Zahlungsmoral des Rechnungsempfängers dennoch auf die Sprünge, indem Sie auf der Rechnung ein konkretes Datum oder ein „sofort fällig“ vermerken.
Bei Zahlungsverzögerungen sofort reagieren und nachhaken
Im Geschäftsleben ist es durchaus üblich, Kunden an offene Verbindlichkeiten zu erinnern, unter Umständen bis zu dreimal. Und Sie sollten von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen, wenn Ihr Schuldner das Zahlungsziel verstreichen lässt. Warten Sie in diesem Fall noch zwei bis drei Tage und appellieren Sie dann höflich an seine Zahlungsmoral, entweder per Zahlungserinnerung oder mit einer verzugsbegründenden Mahnung.
Gerichtliches Mahnverfahren spätestens nach der 3. Mahnung
Spätestens nach der dritten Mahnung ist ein gerichtliches Mahnverfahren ratsam, um die Forderung gegebenenfalls per Zwangsvollstreckung durchsetzen zu können. In diesem Verfahren erwirken Sie einen Vollstreckungsbescheid, der Sie dazu berechtigt, die Pfändung einzuleiten.
Möglicherweise wird der Schuldner dann schon bei Zustellung des vorhergehenden Mahnbescheids seine Zahlungsmoral überdenken und einlenken.
Das gerichtliche Mahnverfahren setzt übrigens nur eine bestehende Forderung und den Zahlungsverzug voraus. Dieser wird schon mit der ersten Mahnung begründet, den zwei weiteren – oft üblichen – Mahnungen bedarf es daher nicht. Es hängt vom Einzelfall und der bestehenden Kundenbeziehung bzw. der bisherigen Zahlungsmoral Ihres Geschäftspartners ab, wie schnell Sie zu dieser Maßnahme greifen.
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