Personen können bei einer hohen Verschuldung ein Insolvenzverfahren beantragen. Oft ist dies der einzige Ausweg, wenn eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern zum Schuldenabbau scheitert.
Nach der Privatinsolvenz und im Anschluss an die Wohlverhaltensphase wird dem Schuldner eine Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt:
Spätestens nach drei Jahren ist er von allen Schulden, die vor der Insolvenzeröffnung bestanden, befreit – unabhängig davon, wie viel Schulden er abgezahlt hat.
Diese Befreiung ist jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft. Die Rede ist von der Obliegenheit, von Pflichten, die den Schuldner während des gesamten Verfahrens treffen. Die Obliegenheiten während der Insolvenz sind Thema dieses Ratgebers.
Genauere Informationen zu dieser Gesetzesänderung, mit der EU-Recht in deutsches Recht umgesetzt wurde, finden Sie in unserem Ratgeber über die Restschuldbefreiung.
Obliegenheit kurz zusammengefasst
Laut Definition ist Obliegenheit eine Pflicht, die der Betreffende aus eigenem Interesse erfüllt. Tut er dies nicht, drohen ihm Rechtsnachteile.
Eine wichtige Obliegenheitsverpflichtung während der Verbraucherinsolvenz ist die Bemühung um einen angemessenen Job (Erwerbsobliegenheit). Teilzeitbeschäftigte müssen einen Vollzeitjob suchen.
Vier weitere Obliegenheiten sind in § 295 InsO geregelt. Welche das sind, können Sie hier nachlesen.
Inhalt
Was sind Obliegenheiten im Insolvenzverfahren? – Am Beispiel Erwerbsobliegenheit erklärt
Stellen Sie sich folgende fiktive Situation vor: Ein Angestellter, nennen wir ihn Schulze, hat bisher nur Teilzeit gearbeitet. Weil er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte, meldete er Privatinsolvenz an und ging weiter seinem bisherigen Job nach. Sein Arbeitseinkommen lag dabei weit unter der Pfändungsfreigrenze.
Es gab also keinen pfändbaren Anteil, mit welchem seine Schulden hätten getilgt werden können.
Am Ende des Verfahrens wird ihm die Restschuldbefreiung verwehrt, weil er seinen Teilzeitjob behielt und sich weigerte, Vollzeit zu arbeiten. Der Grund hierfür: Schulze hatte seine „Erwerbsobliegenheit“ nicht erfüllt und sich nicht ausreichend um eine angemessene Beschäftigung bemüht, um damit seine Schulden begleichen zu können.
Die Obliegenheit, während des Verfahrens und auch in der Wohlverhaltensphase einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen oder eine solche zu suchen und anzunehmen, ist wohl eine der wichtigsten Pflichten des Insolvenzschuldners.
Wichtige Bestandteile der Erwerbsbliegenheit
- Arbeitslose Schuldner müssen sich um eine angemessene Beschäftigung bemühen und diese schriftlich und durchgängig nachweisen. Als Belege können z. B. Bewerbungsanschreiben, Telefonlisten und der Schriftverkehr mit potentiellen Arbeitgebern dienen. Zwei bis drei Bewerbungen pro Woche genügen in der Regel.
- Wenn Erwerbslose ihre Chancen durch eine Weiterbildung erhöhen können, müssen sie mitunter auch eine solche bei der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter beantragen.
- Unter Umständen müssen Personen in der Insolvenz auch zumutbare berufsfremde Arbeit oder Gelegenheitsjobs annehmen.
Obliegenheit: Eine Definition
Der Begriff der Obliegenheit ist ein typischer Fachterminus, der in verschiedenen Rechtsgebieten vorkommt. Hierbei handelt es sich um Rechtsgebote, die jemand im eigenen Interesse der Beteiligten befolgen sollte. Es steht dem Betroffenen frei, ob er die jeweilige Obliegenheitspflicht erfüllt. Sein Vertragspartner kann deren Einhaltung nicht einklagen. Darum wird im Zusammenhang mit einer Obliegenheitsverletzung auch von einem „Verschulden gegen sich selbst“ gesprochen. Derjenige, der einer solchen Pflicht nicht nachkommt, muss jedoch Rechtsnachteile in Kauf nehmen. Er schädigt sich also eher selbst, wenn er seine Pflichten vernachlässigt.
Obliegenheit im Insolvenzverfahren: Die wichtigsten Pflichten im Überblick
Auf das Insolvenzverfahren übertragen bedeutet das, dass Insolvenzschuldner bestimmte Pflichten erfüllen müssen, wenn sie ihre Restschuldbefreiung nicht gefährden wollen. Die oben erläuterte Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO ist nur eine dieser Pflichten. Die folgenden vier weiteren Obliegenheiten ergeben sich aus § 295 Insolvenzordnung (InsO):
Anzeige eines jeden Wohnsitz- und Arbeitswechsels
Diese Obliegenheit ist wohl am einfachsten zu erfüllen. Geben Sie dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder sofort schriftlich Bescheid, sobald sich ein solcher Wechsel ankündigt.
Abgabe der Hälfte der Erbschaft
Wenn Sie während der Wohlverhaltensphase erben, müssen Sie die Hälfte des Erbes an den Treuhänder herausgeben. Das gilt auch dann, wenn Sie nur einen Pflichtteil erben.
Sie haben jedoch auch die Möglichkeit, innerhalb von sechs Wochen nach dem Tod des Erblassers die Erbschaft schriftlich auszuschlagen. Dann fällt das Erbe dem in der Erbfolge nächsten Erbberechtigten zu.
Anzeige von Vermögenszuwächsen
Eine weitere Obliegenheit, deren Verletzung zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann, ist die Pflicht des Schuldners, Vermögensverbesserungen beim Insolvenzgericht und Treuhänder anzuzeigen. Diese Pflicht entfällt in der Wohlverhaltensphase.
Keine direkten Zahlungen an die Gläubiger
Diese Pflicht hängt eng mit dem Ziel des Insolvenzverfahrens zusammen. Dieses bezweckt eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger. Niemand soll bevorteilt werden. Deswegen darf der Insolvenzschuldner nur an den Treuhänder zahlen.
Das Insolvenzrecht ist recht kompliziert. Nicht immer ist klar, was Insolvenzschuldner tun oder lassen dürfen. Kleine Details in der jeweiligen Situation können den Betroffenen schnell verunsichern. Um Ihr Hauptziel – ein Leben ohne Schulden nach der Restschuldbefreiung – nicht zu gefährden, sollten Sie sich an eine Schuldnerberatung oder einen Rechtsanwalt für Insolvenzrecht wenden.
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