Ob die Schulden gegenüber den Insolvenzgläubigern während der Privatinsolvenz getilgt werden können, hängt vor allem davon ab, ob der Schuldner einer geregelten und angemessen bezahlten Arbeit nachgeht. Deshalb obliegt es im laut § 287b Insolvenzordnung (InsO) während der Wohlverhaltensphase, „eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.“
Diese Erwerbsobliegenheit ist keine Pflicht im rechtlichen Sinne. Allerdings schadet sich der Schuldner selbst, wenn er dieser Obliegenheit nicht ausreichend nachkommt, weil seine Gläubiger dann die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen können. Der Schuldner würde damit seine vollständige Entschuldung im Rahmen der Privatinsolvenz gefährden.
Erwerbsobliegenheit im Insolvenzverfahren kurz zusammengefasst
Ja, auch Empfängern von Arbeitslosengeld 1 oder Hartz 4 dürfen die Privatinsolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung beantragen. Da sie die Kosten des Verfahrens gewöhnlich nicht sofort begleichen können, sollten sie die Stundung der Verfahrenskosten beantragen.
Streng genommen besteht kein Arbeitszwang. Der Gläubiger kann also nicht gegen den Schuldner klagen, um diesen zur Arbeit zu zwingen. Allerdings knüpft die Insolvenzordnung die Erteilung der Restschuldbefreiung an eine Bedingung. Der Schuldner erhält sie nur, wenn er einer angemessenen Arbeit nachgeht bzw. sich um einen Job bemüht. Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, dass das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Gläubigers versagt.
§ 287b InsO macht hierzu keine konkreten Angaben. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, was eine angemessene Erwerbstätigkeit bzw. eine zumutbare Tätigkeit ist. dabei sind die Interessen des Schuldners gegen die Interessen des Gläubigers an einem umfassenden Schuldenabbau gegeneinander abzuwägen. Näheres zum Umfang der Erwerbsobliegenheit lesen Sie hier.
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Angemessene Erwerbstätigkeit: Eine Frage des Einzelfalls
Die Obliegenheit, einer geregelten Arbeit nachzugehen bzw. sich um eine solche zu bemühen, besteht während des gesamten Verfahrens. Ob eine Erwerbstätigkeit im Einzelfall angemessen ist, hängt von folgenden Dingen ab:
- Ausbildung, Fähigkeiten sowie Berufserfahrungen des Schuldners
- sein Lebensalter
- dem gesundheitlichen Zustand des Schuldners
Es bleibt grundsätzlich dem Schuldner überlassen, ob er sein Einkommen als Angestellter, Selbstständiger oder Freiberufler erzielt. Für eine bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger reicht die Erwerbsobliegenheit jedoch in der Regel sehr weit, wobei jedoch seine persönlichen Lebensumstände zu berücksichtigen sind.
- In der Regel wird von einem Schuldner erwartet, dass er einer Vollzeittätigkeit nachgeht, also durchschnittlich 35 bis 40 Stunden pro Woche arbeitet.
- Schuldner, die bisher nur Teilzeit gearbeitet haben, müssen sich deshalb gewöhnlich um eine Vollzeitstelle bemühen.
- Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber auch eine Teilzeitbeschäftigung ausreichen, beispielsweise wenn das eigene Kind besondere Pflege und Erziehung benötigt.
Bemühungen um eine Arbeitsstelle: Welche Anforderungen gelten?
An erwerbslose Schuldner stellt der Bundesgerichtshof ganz konkrete Anforderungen an die Erfüllung der Erwerbsobliegenheit. In seinem Beschluss vom 19. Mai 2011 (Az. IX ZB 224/09) fordert der BGH unter anderem:
„Zu der Obliegenheit des Schuldners, sich um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen, gehört es, sich im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern zu halten. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden.“
Darüber hinaus ist es ratsam, dass der Schuldner sämtliche Bemühungen genau dokumentiert und auch die Bewerbungen aufhebt. Mündliche Bewerbungen sowie Telefonate sollte er ebenfalls auflisten. Dies ist wichtig, weil er dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder auf deren Nachfrage Auskunft darüber geben muss.
Wann bzw. für wen gilt die Erwerbsobliegenheit nicht?
- Kranke und deshalb arbeitsunfähige Menschen müssen nicht arbeiten. In diesem Fall wiegt die Gesundheit des Schuldners schwerer als das Befriedigungsinteresse des Gläubigers. Allerdings hat sich der Schuldner darum zu kümmern, dass er wieder gesund wird, beispielsweise indem er eine Suchttherapie macht oder an einer Reha-Maßnahme teilnimmt.
- Sobald der Schuldner das reguläre Rentenalter erreicht hat, entfällt die Erwerbsobliegenheit. Er muss nicht mehr arbeiten und darf eine freiwillige Erwerbstätigkeit bzw. einen Nebenjob einstellen, ohne dass ihm die Versagung der Restschuldbefreiung droht.
- Weil die Kinderbetreuung Vorrang hat, ist die Erwerbsobliegenheit während der Erziehungszeiten eingeschränkt – unter Umständen sogar bis zum elften Lebensjahr, sofern das Kind zum Aufwachsen besondere Erziehung und Pflege benötigt. Mitunter ist es den Eltern aber zuzumuten, wenigstens eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben, um pfändbares Einkommen zu erzielen.
Schuldner dürfen normalerweise während der Privatinsolvenz studieren oder sich fortbilden, zumindest wenn es sich dabei um die erste Berufsausbildung handelt. Sie müssen ihre Ausbildung also nicht zugunsten einer Arbeitsstelle abbrechen. Der Abschluss der Erstausbildung hat in der Regel Vorrang, wobei jedoch immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Außerdem dürfte es sinnvoller sein, dass der Schuldner seine Ausbildung beendet und sich anschließend mit entsprechender Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt bewirbt. Wenn jemand jedoch absichtlich dauerhaft studiert oder trotz bestehender Erstausbildung ein (Zweit-)Studium antritt, verletzt er damit normalerweise seine Erwerbsobliegenheit.